planetarium
hören wir uns atmen in der nacht
am morgen ein specht
wertet die lochkarten aus
der gewöhnlichen träume
dort sind wir nicht gewesen
schwärze wie ein fliehendes reh
die uns umschloss fern der häuser
wenig lässt sich sagen
über die verbindungslinien der sterne
die bäume stehen nass und voller tropfen
im planetarium früherer zeit
war es eine lochkarte
die jemand mit nadeln durchstach
wie um die schmerzenden stellen
zu finden.
zwei holzschiffe
wie alte blumentöpfe
mit einem rest erde auf der kante
wie sie dastehen schief hinter einem zaun
wie das wachsen die triebe alle
vergeblich waren
und der asphalt schimmert vor sich hin
es ist mittag, etwas
lässt die leeren körper
noch größer erscheinen.
sie werden rufen
die dichter das sind die torhüter
auf dem kleinsten rasengrün
der regionalliga, das sind diejenigen
die brüllen und winken und wissen
dass ihre mannschaft ermüden wird
die sich bewegen vor dem netz
und etwas später
angeleuchtet im grellen licht
der flutscheinwerfer
werden sie rufen
sie werden rufen
vielleicht etwas leiser
man wird sie hören diese stimmen
und das rufen das laufen wird
alles ganz leicht gewesen sein
schließlich
wenn die linien nicht mehr gelten
die netze.
ohrid
in diesen straßen gibt es uns noch
in diesen weidenbäumen
erschrocken vor dem blassen gelb
die boote tragen lange bänder aus plastik
gegen die vögel
weil nie jemand sah wie friedlich möwen schlafen
angeschmiegt ins tuch des verdecks
von einem schaukelnd grünweißen kahn
die dinge die wir am weg zurückgelassen
sind nicht mehr hier
und denkst du noch an die einfachen darstellungen
ikonen aus holz
von einem solchen hoffen durchdrungen
jemand war da, liebte auf diesem erdball
hatte angst wie wir
unter eben solchen weiden
vor dem schaukelnden blau
auf dem die möwen ruhten
so vollkommen unbesorgt
über der tiefe, so fern.
Diese Gedichte erschienen in SINN UND FORM.
Anja Kampmann wurde in Hamburg geboren und ist freie Schriftstellerin. Nach einer akadem. Arbeit zu Samuel Beckett schrieb sie fürs Radio. Zuletzt erschien ihr Roman „Wie hoch die Wasser steigen“ (2018) für den sie u.a. den Mara Cassens Preis und den Stadtschreiberpreis von Bergen-Enkheim erhielt. Die Gedichte sind Teil von ihrem zweiten Band, „Der Hund ist immer hungrig“, der im Frühjahr 2021 bei Hanser erscheint.